[ Pobierz całość w formacie PDF ]
lauern, die nur mit Freudigkeit und Gleichmut zu überwinden sind. Du tust wohl, dich in jene
Grenzen einer gemeinen Stelle zu sehnen; denn welche würdest du wohl ausfüllen, die Geist und
Mut verlangt! Gib einem Soldaten, einem Staatsmanne, einem Geistlichen deine Gesinnungen,
und mit ebensoviel Recht wird er sich über das Kümmerliche seines Standes beschweren können. Ja,
hat es nicht sogar Menschen gegeben, die von allem Lebensgefühl so ganz verlassen waren, daß
sie das ganze Leben und Wesen der Sterblichen für ein Nichts, für ein kummervolles und
staubgleiches Dasein erklärt haben? Regten sich lebendig in deiner Seele die Gestalten wirkender
Menschen, wärmte deine Brust ein teilnehmendes Feuer, verbreitete sich über deine ganze Gestalt
die Stimmung, die aus dem Innersten kommt, wären die Töne deiner Kehle, die Worte deiner Lippen
lieblich anzuhören, fühltest du dich genug in dir selbst, so würdest du dir gewiß Ort und Gelegenheit
aufsuchen, dich in andern fühlen zu können.«
Unter solchen Worten und Gedanken hatte sich unser Freund ausgekleidet und stieg mit einem
Gefühle des innigsten Behagens zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an der Stelle des Unwürdigen
morgenden Tages tun würde, entwickelte sich in seiner Seele, angenehme Phantasien begleiteten
ihn in das Reich des Schlafes sanft hinüber und überließen ihn dort ihren Geschwistern, den Träumen,
die ihn mit offenen Armen aufnahmen und das ruhende Haupt unsers Freundes mit dem Vorbilde
des Himmels umgaben.
Am frühen Morgen war er schon wieder erwacht und dachte seiner vorstehenden Unterhandlung
nach. Er kehrte in das Haus der verlassenen Eltern zurück, wo man ihn mit Verwunderung
aufnahm. Er trug sein Anbringen bescheiden vor und fand gar bald mehr und weniger
Schwierigkeiten, als er vermutet hatte. Geschehen war es einmal, und wenngleich außerordentlich
strenge und harte Leute sich gegen das Vergangene und Nichtzuändernde mit Gewalt zu setzen
und das Übel dadurch zu vermehren pflegen, so hat dagegen das Geschehene auf die Gemüter der
meisten eine unwiderstehliche Gewalt, und was unmöglich schien, nimmt sogleich, als es
geschehen ist, neben dem Gemeinen seinen Platz ein. Es war also bald ausgemacht, daß der Herr
Melina die Tochter heiraten sollte; dagegen sollte sie wegen ihrer Unart kein Heiratsgut
mitnehmen und versprechen, das Vermächtnis einer Tante noch einige Jahre gegen geringe
Interessen in des Vaters Händen zu lassen. Der zweite Punkt, wegen einer bürgerlichen Versorgung,
fand schon größere Schwierigkeiten. Man wollte das ungeratene Kind nicht vor Augen sehen, man
wollte die Verbindung eines hergelaufenen Menschen mit einer so angesehenen Familie, welche
sogar mit einem Superintendenten verwandt war, sich durch die Gegenwart nicht beständig
aufrücken lassen; man konnte ebensowenig hoffen, daß die fürstlichen Kollegien ihm eine Stelle
anvertrauen würden. Beide Eltern waren gleich stark dagegen, und Wilhelm, der sehr eifrig dafür
sprach, weil er dem Menschen, den er geringschätzte, die Rückkehr auf das Theater nicht gönnte und
überzeugt war, daß er eines solchen Glückes nicht wert sei, konnte mit allen seinen Argumenten
23
nichts ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfedern gekannt, so würde er sich die Mühe gar nicht
gegeben haben, die Eltern überreden zu wollen. Denn der Vater, der seine Tochter gerne bei sich
behalten hätte, haßte den jungen Menschen, weil seine Frau selbst ein Auge auf ihn geworfen hatte,
und diese konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und so
mußte Melina wider seinen Willen mit seiner jungen Braut, die schon größere Lust bezeigte, die Welt
zu sehen und sich der Welt sehen zu lassen, nach einigen Tagen abreisen, um bei irgendeiner
Gesellschaft ein Unterkommen zu finden.
Funfzehntes Kapitel
Glückliche Jugend! Glückliche Zeiten des ersten Liebesbedürfnisses! Der Mensch ist dann wie ein
Kind, das sich am Echo stundenlang ergötzt, die Unkosten des Gespräches allein trägt und mit der
Unterhaltung wohl zufrieden ist, wenn der unsichtbare Gegenpart auch nur die letzten Silben der
ausgerufenen Worte wiederholt.
So war Wilhelm in den frühern, besonders aber in den spätern Zeiten seiner Leidenschaft für
Marianen, als er den ganzen Reichtum seines Gefühls auf sie hinübertrug und sich dabei als einen
Bettler ansah, der von ihren Almosen lebte. Und wie uns eine Gegend reizender, ja allein reizend
vorkommt, wenn sie von der Sonne beschienen wird, so war auch alles in seinen Augen
verschönert und verherrlicht, was sie umgab, was sie berührte.
Wie oft stand er auf dem Theater hinter den Wänden, wozu er sich das Privilegium von dem
Direktor erbeten hatte! Dann war freilich die perspektivische Magie verschwunden, aber die viel
mächtigere Zauberei der Liebe fing erst an zu wirken. Stundenlang konnte er am schmutzigen
Lichtwagen stehen, den Qualm der Unschlittlampen einziehen, nach der Geliebten hinausblicken
und, wenn sie wieder hereintrat und ihn freundlich ansah, sich in Wonne verloren dicht an dem
Balken- und Lattengerippe in einen paradiesischen Zustand versetzt fühlen. Die ausgestopften
Lämmchen, die Wasserfälle von Zindel, die pappenen Rosenstöcke und die einseitigen Strohhütten
erregten in ihm liebliche dichterische Bilder uralter Schäferwelt. Sogar die in der Nähe häßlich
erscheinenden Tänzerinnen waren ihm nicht immer zuwider, weil sie auf einem Brette mit seiner
Vielgeliebten standen. Und so ist es gewiß, daß Liebe, welche Rosenlauben, Myrtenwäldchen und
Mondschein erst beleben muß, auch sogar Hobelspänen und Papierschnitzeln einen Anschein
belebter Naturen geben kann. Sie ist eine so starke Würze, daß selbst schale und ekle Brühen davon
schmackhaft werden.
Solch einer Würze bedurft es freilich, um jenen Zustand leidlich, ja in der Folge angenehm zu
machen, in welchem er gewöhnlich ihre Stube, ja gelegentlich sie selbst antraf.
In einem feinen Bürgerhause erzogen, war Ordnung und Reinlichkeit das Element, worin er
[ Pobierz całość w formacie PDF ]