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anderes Volk auf der Welt sind die Deutschen ein Volk
der Bürgerinnen und Bürger. Doch wo bleiben die
Steuerhinterzieherinnen, die Extremistinnen und die
Schwarzfahrerinnen?
Grimmig blickt der Boss in die Runde: »Es muss sich
was ändern!«, sagt er. Ohrfeigen-Toni kratzt sich ratlos
am Hinterkopf. Automaten-Ede starrt wie immer
gelangweilt auf seine Fingernägel. »Was meinst du denn,
Boss«, fragt er, »was soll sich ändern?«  »Wir müssen
was für unser Image tun! Wir müssen freundlicher
werden, vor allem zu den Frauen!« Verdutztes
Schweigen. »Freundlicher? Zu den Weibern? Aber wir
sind doch schon freundlich genug, Boss! Wir machen
ihnen teure Geschenke, lassen sie mit unserer Kredit-
karte einkaufen ...« »Das reicht aber nicht! Die Frauen
von heute verlangen mehr. Sie wollen vor allem ...
Respekt! Und Chancengleichheit! Hier steht es,
überzeugt euch selbst!« Wahllos greift er in einen Stapel
bedruckten Papiers vor sich, fischt etwas heraus und liest
vor: »Die Lehrerinnen und Lehrer unserer Schule haben
im letzten Jahr ... blah, blah, blah ... dann hier: ...die
Aktion, an der sich dreihundert Schülerinnen und Schüler
beteiligten ....« Er wirft das Blatt in die Luft, greift sich
ein anderes und liest: »Der Ausschuss der Studentinnen
und Studenten der Universität hat beschlossen ... blah,
blah, blah«  Das nächste: »Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter unseres Betriebes ... blah, blah, blah.«
Erwartungsvoll sieht er seine Mitarbeiter an: »Na, merkt
ihr, was da abgeht?«  »Ziemlich viel blah, blah, blah«,
sagt Automaten-Ede gelangweilt, »was soll der Mist?
Willst du uns zu Tode langweilen?«  »Es geht um die
Frauen!«, schreit der Boss und knallt die Faust auf den
Tisch. »Kein Rundschreiben, keine Mitgliederbroschüre,
kein Flugblatt mehr, auf dem die Frauen nicht extra
erwähnt würden!«  »Und was geht uns das an?«, fragt
Ohrfeigen-Toni achselzuckend. Der Boss wirft ihm einen
verächtlichen Blick zu: »Du verstehst eben nichts von
moderner Unternehmensführung. Wer konkurrenzfähig
bleiben will, kann nicht länger so tun, als wären die
Frauen Luft! Er muss sie erwähnen, in jeder Rede, in
jedem Satz! Sonst gilt man als frauenfeindlich, und dann
ist man ganz schnell weg vom Fenster!«  »So wie
Balkan-Ali, der ist auch weg vom Fenster«, fällt
Automaten-Ede ein, »nachdem er seine Alte im Suff die
Treppe runtergestoßen hat.«
Der Boss hat die Zeichen der Zeit erkannt. In anderen
Ländern mag es zweisprachige Schulen und
zweisprachiges Fernsehen geben, bei uns gibt es die
zweigeschlechtliche Anrede. Alles, was gedruckt oder
gesendet wird, wird doppelt adressiert, einmal an die
männlichen und einmal an die weiblichen Empfänger: die
sehr verehrten Zuschauer und Zuschauerinnen, die
geschätzten Leserinnen und Leser und die lieben
Hörerinnen und Hörer.
Heute haben es die Arbeitgeber nicht nur mit
Arbeiterinnen und Arbeitern zu tun, sondern auch mit
Gewerkschafterinnen, Betriebsrätinnen, Geschäftsführer-
innen und Gesellschafterinnen. Hätten Marx und Engels
das vorausgesehen, hätten sie ihren berühmten Aufruf
»Vereinigt euch! « gewiss an die »Proletarierinnen und
Proletarier aller Länder« erlassen.
Immer neue Schülerinnengenerationen wachsen mit
der Innenmajuskel heran, einem umstrittenen
typographischen Notbehelf, mit dem man
zusammenpresst, was man zuvor verdoppelt hat. Vom
Schulbuch über Rundschreiben, Flugblätter bis zum
ersten »taz«-Abonnement haben die jungen Leute
gelernt, dass es für jede Berufsbezeichnung und Grup-
penzugehörigkeit eine weibliche und eine männliche
Form gibt. Ausnahmslos. Und wo die weibliche Form
bislang fehlte, da wird sie erschaffen; notfalls wird Adam
die Rippe mit Gewalt herausgebrochen. 100 Jahre
Frauenbewegung haben unsere Gesellschaft deutlich
verändert  und unsere Sprache auch.
Längst hat jeder Politiker die »Innen« in diesem
Lande ver-Innerlicht. Viel zu groß ist die Angst, als
antiemanzipatorisch und reaktionär gebrandmarkt zu
werden, denn das ist gleichbedeutend mit unwählbar. So
spricht jeder heute ganz selbstverständlich von den
Wählerinnen und Wählern, den Europäerinnen und
Europäern, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.
Daran haben wir uns inzwischen alle gewöhnt.
Man kann bei allzu tiefer Verneigung vor dem
weiblichen Geschlecht aber auch schon mal auf die Nase
fallen: Immer wieder kommt es vor, dass eilfertig von der
»ersten weiblichen Präsidentin« eines Landes oder » der
ersten weiblichen Pilotin« einer Fluggesellschaft
berichtet wird.
Geradezu grotesk wird es, wenn das zu
verweiblichende Hauptwort in Wahrheit gar nicht
männlich, sondern sächlich ist, so wie das Wort Mitglied,
das sich, zu »Mitgliederinnen« vervielfältigt, recht
seltsam anhört. An der Uni empfängt man die
»Erstsemesterinnen und Erstsemester«, und wer mit
jungen Menschen zu tun hat, der unterscheidet ganz
selbstverständlich zwischen Teenager und Teenagerin,
obwohl der Teenager laut Lexikon ein »Junge oder
Mädchen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren« ist. [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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